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Heute hab ich ein kleines Schubladenkastl zusammengebaut, so ca. 40 x 40 x 40cm mit 2 Schubladen, aus hellem Weichholz, von einem einfallsreichen Möbeltäufer "BLITZ 2" genannt. Suggeriert doch, daß der Aufbau schnell gehen könnte ....
Hab ich mir gedacht: "Na, ein normaler, handwerklich nicht unbegabter Mensch schafft das in ca. 30 -45 Minuten .... also schaff ich's in ca. 1 bis 1,5 Stunden."
Tja ....
Dann hab ich mir den Aufbauplan angeschaut:
so winzig gezeichnet und so schlecht gedruckt, daß Du kaum erkennst ob das jetzt ein Dübel, eine Schraube, eine zufällig vorbeifliegende Rakete oder ein Druckfehler ist. Dafür sind 3/4tel der beidseitig bedruckten A4-Seite mit Haftungsausschlüssen, Kontroll-Bestätigungen, Rücksende-Anleitungen, Reklamationsrichtlinien, Handhabungs- und Sicherheitshinweisen bedruckt.
:-)
Der Beste davon:
                 " WICHTIG
 Wir empfehlen, dass Sie die Kugelfüsse
 des Möbels in den in den ersten Tagen auf
 ein Stück Papir ambringen, da das Möbel
 Öl abgeben kann. Gleichfalls empfehlen
 wir, dass Sie vor Gebrauch alle Oberflächen
 abtroknen.
"
Na, ... hab ich ich halt einmal 10 Minuten lang Kugelfüße gesucht ....
Da keine auffindbar waren und auch meine eigenen eher nicht kugelförmig sind und vor allem eher schweiß und unangenehme Gerüche als Öl abgeben, hab ich den ersten Teil einmal ignoriert.
Na gut! Nach der erstaunlicherweise gut lesbaren Teile-Liste war aber alles vorhanden. Also fang ich zuerst mit dem einfacheren an, mit den Schubladen, weil ich schon länger kein Möbel mehr zusammengebaut hab.
Ganz so einfach ist das dann doch wieder nicht:
erst einmal bricht gleich ein Teil, der für den zusammenhalt der Lade recht wichtig ist. Vor allem, wenn man - wie ich - die Dübel vorerst einmal nicht verleimt.
[Letzteres hatte ich mir angewöhnt, weil immer irgendwas beim Zusammenbauen schief geht. Sei es jetzt, daß man den Dübel in das falsche Loch steckt, weil fast alle Löcher gleich groß und immer ein paar überzählige (an ausgesprochen unnötigen Stellen) sind. Auf dem mikroskopischen Aufbauplan ist nur der Hinweis erkennbar: "Bitte darauf achten, dass die Dübel immer gemäss Abbildung eingesetzt werden." Nicht erkennbar sind die Dübel und wo sie eingesetzt werden (siehe auch oben!). Oder sei es, daß, wenn man endlich einmal alle Möbel fertig auf- und eingebaut hat, die Wohnung endlich gemütlich wird, irgendein (meist katastrophales) Ereignis eintritt, das einen veranlaßt, kurzfristig oder dauerhaft aus der Wohnung mit allem Mobilar auszuziehen - und wieder einmal nur der kleinste Kleinwagen als Möbeltransporter zur Verfügung steht. In letzterem Fall ist es dann auch ganz günstig Möbel wieder zerlegen zu können, ohne sie zu zerstören.]
Der gebrochene Teil ist einfach schwer zu beschreiben. Auf der tollen Teileliste steht auch kein Name für diesen Teil. Er dient irgendwie zum festkrallen eines Bauteils, das wie eine Kreuzung zwischen einem Metalldübel und einer Schraube aussieht und das zum Großteil aus dem Holzstück herausragt in das es geschraubt wird. Dieser Großteil ragt wiederum in den rechtwinkelig dazu angebrachten Holzteil hinein, wo in einem vorgebohrten Loch eben jenes Teil lauern sollte, das mir gebrochen war, um es mit einer Vierteldrehung festzuhalten.
Die Lade ist jetzt etwas schief, hält und funktioniert aber trotzdem. Wie ich aus Erfahrung aber weiß, bricht jener billige Teil öfter und man erhält ihn meist kosten- und problemlos beim Möbelhaus, das diese billigen Selbstbaumöbel verkauft. ( Ich glaube, die können nur deswegen so billig sein, weil die Kunden so blöd sind, alles selbst zusammenzubauen. Die gleichen Möbel - fertig und stabil zusammengebaut - hätten wahrscheinlich den ca. 5-fachen Verkaufspreis, weil ja die Arbeitszeit des Handwerkers den Großteil des Verkaufspreises ausmachen würde.)
So weit - so gut!
Nur um die Lade bestimmungsgemäß verwenden zu können, wäre es nicht schlecht den dünnen Sperrholzboden einzuschieben und mit den mitgelieferten Nägelchen in seiner Position zu fixieren. Nur ...
Nägelchen von ca. 1,5 mm Dicke und ca. 15 mm Länge sind schwer einzuschlagen. Besonders wenn die Spitze des Nagels nahezu genauso dick ist wie der Schaft. Dann ist noch mein Daumen ca. 2 cm und mein Zeigefinger ca. 1,5 cm breit, was das halten beim Ansetzen schon erschwert. Lediglich der Kopf setzt sich mit 2 mm Durchmesser etwas deutlicher ab. Mit welchem Hammer soll ich den treffen?! Außerdem hätten die Nägel - konstruktionsbedingt - ca. 3 mm neben dem Rand des Sperrholzes eingeschlagen werden müssen, was erfahrungsgemäß meist zum ausbrechen des Randes führt. Also beschließe ich, meine MiniTool-Bohrmaschine auszupacken und vorzubohren. Dann verwende ich folgerichtig kleine Schrauben, den die Nägel hätten in den vorgebohrten Löchern kaum halt gefunden. (Außerdem - siehe oben mein Prinzip der zerstörungsfreien Zerlegbarkeit!)
Ha! Nach ca. 45 Minuten hatte ich schon die erste Lade zusammengebaut! Ich beschloß die restliche Tagesplanung fallen zu lassen und machte mich über die zweite Lade her.
Aufgrund der Erfahrungen mit der ersten brauchte ich nur wenig mehr als die halbe Zeit dafür.
Der Rest, also das Gehäuse (oder der Korpus, wie der Fachmann sagt) war dann auch nicht mehr ganz so schwer. Ich umschiffte geschickt die Klippen der falsch eingesetzten Dübel, ignorierte die Untiefen der überflüssigen vorgebohrten Löcher und des Aufbauplanes und kreuzte gegen die Strömung des immer schwächer werdenden Tageslichtes indem ich immer näher ans Fenster rückte, akrobatisch vermeidend mir dabei selbst im Lichte zu stehen.
Schließlich stellte ich doch noch zwei Halogenlampen auf, als die Deckenbeleuchtung nicht mehr ausreichte und machte mich daran, die Rückwand zu montieren. Wiederum zog ich meine Schräubchen aus den gleichen Gründen, wie oben beschrieben den mitgelieferten Nägelchen vor. Beim Schrauben eindrehen hab ich mich bislang meist weniger schwer verletzt, als beim Nägel einschlagen. Es dauert halt ein bissl länger ...

Da ich kein Bedürfnis verspürte, das eben erst mühsam zusammengebaute Kleinmöbel naß zu machen ignorierte ich zu guter Letzt auch den zweiten Teil des "WICHTIG"-Hinweises. So feierte ich also um 21 Uhr nachts den geglückten Zusammenbau eines Kleinmöbels mit einem Tiefkühlgericht und einem Glas Leitungswasser, weil ich natürlich nicht zum Einkaufen gekommen war.
Ich frage mich, ob 4,5 Stunden für einen Schubladenblock - verzeihung: eine "Kommode BLITZ 2, Kiefer massiv, natur lackiert, Metallauszüge, 2 Laden, ca. 44,4 x 42,1 x 39,5cm" nicht in irgendeiner Form ein Weltrekord sind .....

Herzliche Grüße
fnaM

aus einem Original-Mail vom Samstag, 28. April 2001 03:24 an eine Freundin

Copyright-Hinweis:
Auch diese Mail ist selbstverfaßt und unterliegt daher irgendwie dem Copyright als mein geistiges Eigentum.
Bis auf jene Teile die unter Anführungszeichen stehen. Sie entstammen dem Beipackzettel der Kommode BLITZ 2,
erstanden bei der Firma Möbel Lutz und einem Prospekt ebendieses Möbelhauses.
Ich erlaube hiermit die nichtkommerzielle Nutzung und Weitergabe meines Textes. ;-)
:-P

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Letzte Änderung: 7.7.2001